Zeitungsartikel vom 07.02.24

Wie sich Niesky bei Schwerhörigen Gehör verschafft

Nach Bürgerhaus und Wachsmannhaus ist auch die Trauerhalle auf dem Waldfriedhof mit Hörgeräten ausgestattet. Für Betroffene ist das ein guter Anfang.

Ines Reimann zeigt die Hörgeräte in der Trauerhalle auf dem Waldfriedhof in Niesky. Fünf Geräte hat die Stadt angeschafft.

Foto: André Schulze

Von Steffen Gerhardt

Ines Reimann ärgert sich. „Warum werden wir von der Stadtverwaltung nicht einbezogen, wenn es um die Anschaffung von Technik für Hörgeschädigte geht?“ Mit „wir“ meint sie die Selbsthilfegruppe (SHG) für Hörgeschädigte, die es seit 25 Jahren in der Stadt Niesky gibt. Reimann ist die Vorsitzende der „Schlappohren“, wie sich die Gruppe auch gern nennt. Die Stadt Niesky hat im Zuge der Sanierung der denkmalgeschützten Trauerhalle, die im Juni 2021 begann, auf dem Waldfriedhof eine neue Tonanlage angeschafft und installiert. In erster Linie für den Trauerredner und das Einspielen von Musik. Dazu fünf Geräte, die Schwerhörigen über Kopfhörer und einen Funkempfänger Musik und Sprache akustisch verständlich machen sollen. So ist es gewollt.

Bisher werden diese Geräte aber kaum in Anspruch genommen, sagt Friedhofsverwalterin Carola Kopke. Das wundert Ines Reimann nicht, denn es ist bisher wenig bekannt, dass in der Trauerhalle diese Möglichkeit für Hörgeschädigte besteht. Es findet sich auch nirgends ein Hinweis für die Trauergäste. Die Mitglieder der Selbsthilfegruppe wissen das, aber es kommen auch Gäste von außerhalb von Niesky, denen diese Hilfsmittel eine Erleichterung beim Zuhören sind. Und doch sorgen diese Geräte nicht bei allen Hörgeschädigten für einen akustischen Genuss. „Für hochgradig Schwerhörige und Träger hochwertiger Hörgeräte und Implantate ist die vorhandene Technik leider nicht nutzbar“, hat Ines Reimann auch an ihrer Person festgestellt. Die mit diesen Geräten versorgten Betroffenen haben die Möglichkeit, induktiv zu hören. Das bedeutet, das Mikrofon am Rednerpult sendet die Akustik direkt per Induktion an die Hörgeräte mit aktivierter TSpule. Aber dazu sind Induktionsschleifen an den Empfängern anzubringen, die man sich bequem um den Hals hängen kann. „Diese fehlen leider in der Neuanschaffung der neuen Hörtechnik in der Trauerhalle seit ihrer Wiedereröffnung“, kritisiert die Nieskyerin.

Dieses Manko ist inzwischen der Stadt auch aufgefallen und dass für eine Anschaffung Bedarf besteht. Kopke hat für die Stadt dieser Tage entsprechende Angebote eingeholt, damit fünf

Schwerhörige die Trauerfeier künftig induktiv mithören können.

Nun muss die Stadt diese Anschaffung in ihrem Haushaltsetat unterbringen. Dafür gibt es aber Fördergeld. Niesky konnte davon bereits profitieren. Über das sächsische Programm

„Lieblingsplätze für alle“ wurde das Konrad-Wachsmann-Haus ausgerüstet. Vor immerhin schon sechs Jahren sind

„Audioguides“ angeschafft worden. Mit diesen zusammen wurde eine zweite, mobile Anlage gekauft. Damit haben hörgeschädigte Personen die Möglichkeit, nicht nur im Wachsmannhaus Vorträge und Veranstaltungen akustisch mitzuverfolgen, sondern auch in anderen Einrichtungen der Stadt. Entweder über Kopfhörer oder über eine Induktionsschleife direkt über das eigene Hörgerät im Ohr. Denn auch im Raschkehaus und in der Stadtbibliothek wird zu Ausstellungen und Veranstaltungen eingeladen.

Neben der Trauerhalle und dem Wachsmannhaus ist auch das Bürgerhaus mit Hörhilfsmitteln ausgestattet. Diese Anschaffung erfolgte bereits 2016 und dient in erster Linie dem besseren Verstehen im Großen Saal. Für die Nieskyer „Schlappohren“ ist das ein guter Anfang, der aber ausbaufähig ist. Auf der

Jubiläumsveranstaltung anlässlich „25 Jahre SHG“ im Dezember sagte Ines Reimann: „Leider werden wir Hörgeschädigten wegen unserer unsichtbaren Behinderung zu oft vergessen. Vor allem die Standardisierung von induktivem Hören in öffentlichen

Einrichtungen liegt den Mitgliedern am Herzen. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.“

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